Hilfe, er will nur noch chillen

Grenzen Vater Mutter

Hilfe, er will nur noch chillen

Neulich fragte mich eine Mutter in einem meiner Workshops verzweifelt, warum ihr jugendlicher Sohn sich einfach zu nichts bewegen lasse. Schulisch sei er vollkommen passiv und in seiner Freizeit wolle er nur „chillen“. Nichts scheine ihn zu interessieren. Mir kommt da das Buch „Jugendjahre“ von Remo Largo und Monika Czernin in den Sinn. Darin wird eben diese Frage aufgeworfen: „Warum lassen sich Jugendliche weniger gut motivieren als Kinder?“

Ein einflussreicher Faktor ist hier sicherlich das sich verändernde Bindungsverhalten. Die Jugendlichen orientieren sich kaum mehr an den Eltern oder anderen Erwachsenen. Viel wichtiger werden die Gleichaltrigen. Hier holen sich die Jungen ihre Bestätigung und ihren Rückhalt. Viele Jugendliche sind auch nicht mehr bereit, sich von Erwachsenen „belehren“ zu lassen. Das Grundbedürfnis zum Lernen, so wie es bei Kindern entwicklungspsychologisch angelegt ist, verflüchtigt sich. Oft findet in dieser Phase auch die sogenannte «Entzauberung» der Erwachsenen und ein Rückzug des Jugendlichen statt. Das Aufschauen zu den Eltern oder Lehrern, welches bei Kindern dazu führt, uns nachzuahmen und es den Grossen gleichzutun, entfällt nach und nach. Dies führt natürlich zu Irritationen bei den Eltern, weil hier plötzliche Grenzen spürbar werden und ein luftleerer Raum ohne Resonanz zu entstehen scheint.

In der Folge erhalten Eltern oft den Eindruck von totaler Passivität und Interesselosigkeit, was so nicht der Wahrheit entspricht. Der Jugendliche scheint zwar in sich zurückgezogen. Derweil ist der Jugendliche weit mehr beschäftigt als wir denken, nämlich mit der eigenen Identitätsfindung. Er benötigt neue Beziehungen zu Gleichaltrigen, die wiederum sein Bedürfnis nach Aufgehobensein und Eingebundensein befriedigen. Was Eltern statt daran zu verzweifeln am meisten hilft, ist ein grundsätzliches Vertrauen in das eigene Kind sowie in die geleistete Beziehungsarbeit. Haben Sie Vertrauen in die Grundsteine, die Sie in den vergangenen Jahren gelegt haben und bleiben Sie dennoch offen. Gemäkel oder dauerhafte Kritik am Jugendlichen führen meist zu Entfernung statt zu Verbindung und Dialog. Was Jugendliche stattdessen brauchen, ist ein ernsthaftes Interesse daran, wie sie unterwegs sind, ohne jedoch „ausgequetscht“ oder zu Gesprächen genötigt zu werden. Und werden Sie demütig und genügsam. Denn den Jugendlichen fällt es oft schwer, zu signalisieren, dass Ihr ungebrochenes Interesse ihrem Kind Sicherheit vermittelt – zu gross ist der Druck, «cool und chillig» wirken zu wollen. Und: Gute Vorbilder sind sehr erwünscht. Authentische Eltern nämlich, die ihre eigene Selbstverwirklichung verfolgen und ihren Weg gehen. Und die Gespräche über Gelungenes und eher Missglücktes in ihrem Lebensentwurf führen können. Eltern, die nahbar bleiben und sich nicht ständig über den Jugendlichen stellen. Und die nach und nach einsehen, dass sie nicht mehr jederzeit „gehört“ werden und sie dennoch wertvoll bleiben für ihr Kind.

Gerne empfehle ich zum Thema folgende Bücher (DVD): «Jugendjahre» von Remo Largo und Monika Czernin, «Pubertät» von Jesper Juul, «Schülerjahre» von Remo Largo, «Gute Beziehungen» von Thomas Gordon, «Pubertät ist eine Tatsache keine Krankheit», DVD mit Jesper Juul, Pubertät ist eine Tatsache – keine Krankheit – DVD | Familylab Shop

Ich verweise diesbezüglich ebenfalls auf mein ONLINE-Referat «Gelingende (Familien-) Kommunikation» am 14. Dezember. Anmeldungen nehme ich gerne entgegen.

Mi 14. Dez. 2022, 20.00–21.30 Uhr, Referat Gelingende (Familien-) Kommunikation, ONLINE via MSTeams

Nun sende ich euch herzliche und herbstliche Grüsse und bis bald, Susanne