Gut genug. Trotzdem. Oder wegen dem. Podcast #2

Gut genug. Trotzdem. Oder wegen dem. Podcast #2

Podcast #2

 

Wer mir schon etwas länger folgt, weiss vielleicht, dass ich diese bunten, nostalgischen Adventskalender sehr liebe. Meistens beschenke ich mich selbst vor der Adventszeit damit. Dieses Jahr kaufte ich mir einen überwiegend in rot und goldenem Glitzer gehaltenen Türchenkalender – das Sujet ein Süsswarenladen, davor viele Kinder mit leuchtenden Augen, Tieren und so weiter. Ich bin die Einzige in unserer Familie, die die Dinger so sehr mag.

Meine Herausforderung besteht während der Vorweihnachtszeit immer darin, wirklich auch jeden Tag das entsprechende Türchen zu öffnen. Hört sich zwar simpel an – ist mir aber wahrhaftig schon viele Jahre lang nicht gelungen. Immer waren es einzelne oder sogar mehrere aufeinanderfolgende! Zahlen, die ungeöffnet blieben. „Das gibt es doch nicht“, denke ich mir jedes Mal, „so viel Zeit muss doch sein“. Je öfter ich mir das sage, desto weniger scheint es zu klappen.

Wieder habe ich kürzlich den Kalender in der Küche, wo ich meinen Tee oder Kaffee auf einer Bank sitzend trinke, abgehängt und fein säuberlich versorgt. Den Kalender betrachtend, blicke ich in Gedanken zurück an die Tage, an denen ich mehrere Türchen – ganz fasziniert und berührt durch die hübschen Motive – gleichzeitig öffnete. So wie es sich halt eben jedes Jahr wiederholt. Nur diesmal ist meine Haltung mir gegenüber anders. Statt: „Also, so schwer kann es doch nicht sein, sich diese paar Minütchen Zeit einzuräumen, Selbstfürsorge eben. Oder „Selfcare“, wie es im „Neuen Normal“ heissen soll. „Das solltest du doch mittlerweile gelernt haben.“ Mit dem mahnenden Finger und strengem Blick also stehe ich bildlich gesprochen vor mir. Ja, das kenne ich bereits, die strenge Susanne. Das kennen wir alle, oder? Die strenge Schelte sich selbst gegenüber. Sogar wenn es um Selbstfürsorge geht. Wie irr ist das denn?

Wenigstens habe ich mich dabei erwischt. Und statt mich klein und wertlos und wieder einmal als unzureichend zu betrachten ab der strengen Susanne, habe ich mich gedanklich einfach umarmt. Ja, so ist mein Leben im Dezember. Voller Beschäftigung und Wuselei, voller Vorhaben, von denen viele unerledigt bleiben. Mit munzigen Inseln der Erfüllung und des Glücks, die ich dann jedoch mit Leib und Leben verteidige. Mit exzessivem Kerzenschein, massenhaft Kerzen, LED-Lämpchen und literweise Tee oder Pflaumenlikör. Mit all dieser Erinnerung schaue ich ganz weich und versöhnt auf mich, diese Susanne, zurück. Ich mache das wunderbar und verzeihe mir immer wieder, nicht jeden Tag fein achtsam und fein säuberlich die Türchen geöffnet zu haben. Und weisst du, was das Gute daran ist? Ich meine noch mehr Gutes? Je mehr ich die „Frau“ mit dem mahnenden Finger in Gedanken liebevoll anschaue und verstehe, dass sie da ist, weil wir so erzogen wurden – keine Fehler zu machen – desto mehr verinnerliche ich das Verzeihen mir gegenüber. Das Weicherwerden gelingt. Die Selbstzerfleischung wird gemildert. Und ganz nebenbei werde ich selbst weniger streng und weniger kritisierend meinen Nächsten gegenüber. Desto mehr verzeihe ich ihnen ihre vermeintlichen Unzulänglichkeiten. Welch schönes Gesetz. Somit wünsche ich dir alles Gute und Liebe fürs neue Jahr. Prosit.

 

Aus der Agenda

Do 11. April 2024, 19.30–21.00 Uhr, Infoabend, Praxis Rosenegg, Männedorf

Sa 1. Juni 2024, Kursstart, 4 x samstags 9.15–16.45 Uhr, „Gelingende (Familien-) Kommunikation – Das Training“, Praxis Rosenegg, Männedorf

 

Comic AusrufezeichenBehandlungs- /Beratungsraum zu vermieten /per 1. April 2024 – hier geht’s zu den Details /PDF

Foto des Therapieraums – zu vermieten