Wenn es mich überkommt, die Welle, 29.3.2019

Wenn es mich überkommt, die Welle, 29.3.2019

Wenn es mich überkommt… Vorgestern hatte ich mit meinem Sohn (9-jährig) am Esstisch abends einen Konflikt. Er weinte bitterlich. Wir waren unterschiedlicher Meinung. Ich hörte ihm aktiv zu merkte gleichzeitig, dass es schwierig ist, selber nicht aus der Fassung zu geraten, weil ich ihn da sitzen sah, mit seinen vielen Tränen. Und ich spürte, dass es mir nicht leicht fällt, ihn laut schreien zu lassen – zwischen dem Weinen. Neben ihm sass sein Vater, der ihm ebenso zuhörte, sich ihm zuwandte und gleichzeitig ruhig unsere Sichtweise darlegte.

Dieses Gefühl, dass ich dann spürte, kenne ich gut. Das heisst, wenn ich es denn spüre. Denn es ist so leicht, sich in solchen Momenten überrollen zu lassen von der Welle. Die Welle, die mich regelmässig hat ausbrechen lassen in meiner Überforderung im Umgang mit den Tränen des Kindes, der Wut und deren Lautstärke. Die Welle, die beeinhaltet, dass ich mich wehren muss, dass ich womöglich schuld bin, dass ich plötzlich das grösste Problem von allen habe – und dann bin ich nicht mehr hilfreich – weder für mein Gegenüber – noch für mich. Denn ich spüre mich gar nicht mehr. Ich bin dann nur noch übermannt.

Vorgestern sass ich dann am Tisch. Ich habe die Welle gespürt. Sie war in meiner Nähe. Nur ich kann heute – viel besser als früher – in mich fühlen und nicht wertend schauen, was sich in mir regt. Und annehmend und akzeptierend diese Gefühle des Unverständnisses, des sich wehren wollens, des sich nicht schuldig fühlen wollens und des sich genierens wegen der Lautstärke und der Nachbarn betrachten. Und dabei atmen – und darauf achten ob der Atem nur flach ist in der Brustgegend oder ob es möglich ist, auch in den Bauchraum nach unten zu atmen. Und meinen Körper spüren, schauen, wo er sich verspannt, wo er sich zusammenzieht. Ich probiere, mit meinem Atem die Verspannungen im Körper zu erreichen – und ich bin ruhig. Nicht unnahbar ruhig, sondern so ruhig im Kontakt mit mir, so dass die Welle mich nicht übermannt. Ich bin so ruhig und bei mir, so, dass ich für mich hilfreich bin, und so, dass ich für meine Gegenüber hilfreich bin. Und dann bin ich liebevoll in dieser Situation – liebevoll mit mir und liebevoll mit dem Sohn, der weint und brüllt und sich dann beruhigt und auch an diesem Abend in Frieden einschläft.