Skifahren macht doch Spass!

Skifahren ist gesund, oder!?

Skifahren macht doch Spass!

Skifahren macht doch Spass!

Wirklich? Gestern kehrte ich mit meiner Tochter, deren Freundin und meinem Sohn aus den Bergen nach Hause zurück. Jetzt bin ich ehrlich: Ich stand genau zwei Mal auf meinem Snowboard während dieser 12 Ferientage. Krass, denn eigentlich liebe ich die Berge, den Schnee, die Pisten, mein Brett, die gemeinsame Familienzeit. Das erste Mal war ich mit meinem Sohn und den Mädels unterwegs. Das andere Mal nur mit den Mädchen.

Nun berichte ich über das erste Mal: Da mein Sohn – entgegen den Vorstellungen und Wünschen meines Mannes und mir – nicht so gerne auf sein Snowboard steigt, ist es dann auch immer ein „wie von vorne beginnen“. Pisten, die nur leicht abfallen sind dann für Snowboarder die Herausforderung schlechthin. Die müssen dann ihr Brett eben schleppen – bis der nächste Abhang kommt. So geschah es dann auch, dass mein Sohn nicht genügend Schwung erreichte, um das ersehnte Ende der mühsamen Piste zu erreichen. So musste er wohl oder übel sein Brett abschnallen. Leicht säuerlich stieg ich dann auch vom Brett und ging mit meinem Sohn gemeinsam das wirklich lange Pistenstück entlang. Irgendwann war es mir zu blöd und so schnallte ich mein Brett wieder an und lenkte mich in den Tiefschnee, den Hang runter. Wohl oder übel musste mein Sohn sein Brett anschnallen um mir zu folgen. Zeternd und schnaubend kurvte er hinter mir her. Wegen des Tiefschnees fiel er immer wieder um, um dann anschliessend schreiend und fluchend wieder aufzustehen. Zugegeben: Es hätte mehrere Varianten für mich gegeben, um mit dieser Situation umzugehen. Ich hätte verständnisvoll sein können und ihm jedes Mal, wenn er fiel wieder auf seine Füsse helfen können. Das wollte ich aber im Moment nicht. So wartete ich jeweils unterhalb oder oberhalb bis er wieder ein Stück weiterfuhr. Ja, es war schlussendlich aufreibend, der Genuss hielt sich in Grenzen.

Und jetzt zur eigentlichen Kernfrage: Müssen unsere Kinder nicht unsere Vorstellungen teilen? Ich meine: Skifahren oder Snowboarden an der frischen Luft – das ist doch gesund. Abgesehen davon: Wenn wir schon die Berge haben, dann ist es doch naheliegend, dass wir und unsere Kinder eben auch gerne auf die Pisten gehen (solange es dann noch Schnee hat). Oder?

Meine Tochter ist jetzt 15, mein Sohn in ein paar Wochen 10 Jahre alt. Wir haben viele Jahre in diese Vorstellung investiert. Meine Tochter haben wir jedes Jahr in die Skischule gesteckt und meinen Sohn, nachdem er sich mit Händen und Füssen gegen Skifahren gewehrt hat, eben auf das Snowboard gestellt. Und nun stellt sich heraus, ich gebe es zu, nicht erst seit gestern, dass meine beiden Kinder eben unsere Ansichten über den Schneesport nicht teilen.

In mir tut sich natürlich schon eine gewisse Trauer und Enttäuschung auf. Meine Vorstellung der fitten, sportlichen und schneefreudigen Familie bröckelt stetig vor sich hin. Das Wort Ent-täuschung sagt jedoch bereits einiges aus: Ja, der Zeitpunkt des Endes der Täuschung ist gekommen. Mein mir selbst gebasteltes Bild dieser Familie stimmt in diesem Punkt nicht mit der Realität überein. Sie wird den einzelnen Individuen dieser Familie offenkundig nicht gerecht. Meine Kinder haben offensichtlich nicht dasselbe Reissen nach Skifahren oder Snowboarden wie ihre Eltern. Ja, man könnte jetzt sagen: Das sind doch Wertvorstellungen, die die Kinder übernehmen sollen. Also gilt es halt in dieser Familie, dass auf die Piste gegangen wird. Ja, da stimme ich zu. Teilweise. Die gelebten Wertvorstellungen eines Elternpaars geben der Familie auch Halt und Bedeutung sowie Zusammenhalt. Da ist es also nicht nur falsch, seine gelebten Vorstellungen auch weiterzugeben. Abgesehen davon muss nicht immer alles Spass machen im Leben – und man muss auch nicht immer auf alles Lust haben, worauf die Eltern pochen. Wertvorstellungen – sogar jene „In dieser Familie wird Schneesport betrieben.“ – können Sicherheit geben und das Selbstwertgefühl der Kinder auch fördern. Andererseits fühle ich mich als Elternteil verpflichtet, achtsam zu sein im Umgang mit „verordneten“ Wertvorstellungen. Ich sehe es als meine Verantwortung, gut abzuwägen zwischen dem „Nutzen“ von Wertvorstellungen und der Beziehung zu meinem Kind. Wenn ich unreflektiert meine Vorstellungen mit übermässigem Druck durchzusetzen versuche, setze ich unter Umständen die Beziehung zwischen uns nachhaltig aufs Spiel.

So, wie es sich hier in unserer Familie zeigt, haben unsere Kinder dies auch viele Jahre so mitgemacht. Vermutlich immer leicht zähneknirschend, jedoch haben sie es uns zuliebe auch so durchgezogen. Und nun stellt sich für mich heraus, dass der Missmut meines Sohnes für mich unerträglich wird, und der Machtkampf, den ich morgens teilweise mit ihm austrage sich für mich nicht mehr lohnt. Der Zeitpunkt des Loslassens ist für mich gekommen.

So sass ich mit meinem Sohn auf dem Sessellift auf dem Weg ins Tal am Ende der Sportferien. Die eine Piste war gesperrt und die „doofe“ Piste, die eben wieder zu gehen gewesen wäre (weil voraussichtlich wieder zu wenig Schwung), wollte mein Sohn nicht mehr fahren (Tiefschnee auch nicht). So erzählte ich ihm über meine Gedanken: Eben, dass ich mit der Vorstellung gelebt habe, dass wir alle Spass haben auf den Pisten. Dass ich aber schon länger merke, dass diese Vorstellung sich offensichtlich nicht mit seiner deckt. Und dass ich nicht mehr länger diese Machtkämpfe austragen will mit ihm. Dass ich gerne weiterhin snowboarden gehen mag. Auch ohne ihn. Dass ich dann halt ohne Kinder, nur mit meinem Mann gehen werde. Und dass wir schauen, welche Lösungen es dann braucht, damit z.B. mein Sohn nicht zu lange alleine ist. Und ich habe ihm auch mitgeteilt, dass es in Ordnung ist, nicht so gerne wie ich auf die Piste zu gehen. Dass er deswegen auch nicht falsch ist und ich nicht richtiger als er. Und dass er sich wieder melden darf, wenn er wieder einmal mitkommen mag. Es tat mir sehr gut, ihm dies ohne Groll und jetzt auch mit viel weniger Wehmut zu sagen. Ja, in Zukunft wird sich mein Sohn selbständig fragen müssen, wie er sich sein Leben in dieser Hinsicht einrichten will. Das gibt ihm mehr Handlungsspielraum, Selbstwirksamkeit und mehr Selbstwertgefühl. Ich freue mich auf neue Erfahrungen. Wunderbar, dieses prozesshafte Familienleben!